Kriegsende, Weihnachten und neue Hoffnung: Der Künstler und Historiker Heinz Leitermann zeichnet Zuversicht in die Mainzer Trümmerlandschaft und ein neues Wappen für Selzen.
Weihnachten steht vor der Tür und die Feierlichkeiten zu "80 Jahre Kriegsende" am 08. Mai 2025 werfen ihre Schatten voraus. Auch in Selzen begann 1945 die entbehrungsreiche und schwierige Nachkriegszeit, für dessen Ende symbolisch das neu gestaltete Selzer Ortswappen stehen kann.
Als sozusagen digitales Adventsfenster möchte ich nun diese Themen aufgreifen und eine kleine Geschichte von Hoffnung und Neuanfang erzählen.
Träumen in Trümmern
Nach seiner Entlassung aus der englischer Gefangenschaft kehrte Heinz Leitermann Ende 1945 zurück in sein geliebtes Mainz. Es lag in Schutt und Asche.
Der Kunsthistoriker und Zeichner wurde beauftragt, die "Fliegergeschädigten Kirchen, Pfarrhäuser und Klöster im Bistum Mainz" in Zeichnungen festzuhalten. Entstanden sind bedrückende Blätter, die die furchtbare Zerstörung detailliert und beeindruckend wiedergeben. (Siehe Buchtipp im Anhang).
Erschüttert von den Schrecken des Krieges begann er 1947 eine Zeichnung mit Blick über die Trümmer des zerstörten Mauritzenplatz auf den Mainzer Dom.
Auf dem Blatt ist unten rechts der damals allgegenwärtige Tod mit großem Hut und Sense zu erkennen. Warum Leitermann das Bild, trotz erster Tuschelinien, nicht vollendet hat, ist nicht bekannt.
Doch noch im selben Jahr begann Leitermann eine neue und hoffnungsvollere Version der Ruinenlandschaft. Sie zeigt, wie nach dem Kriegsende 1945 die Verzweiflung allmählich der Hoffnung auf eine Zukunft wich.
Dort wo vorher der Sensenmann wartete, schauen nun eine Mutter und ihr Kind zu einem Lichtwunder zwischen den Domtürmen empor. Herausgeber Dr. Winfried Wilhelmy schrieb treffend in einer Ausstellungs-Publikation:
„Wo in Bombennächte die mörderischen „Christbäume“ der Phosphorbomben über der Stadt niedergingen, erstrahlt jetzt ein wahrhaftiger Christbaum als Zeichen der Hoffnung und des Sieges des Lebens über den Tod“.
Zu Besuch in Selzen
Auf seinen vielen Reisen in die Gemeinden des Bistums gelangte Heinz Leitermann auch nach Selzen. Er freundete sich dort mit der Familie des damaligen Selzer Lehrer Georg Keller an und war des öfteren in Selzen zu Besuch.
Bei diesen Ausflügen nach Selzen zeichnete Heinz Leitermann zwei Bilder, die er der Familie überließ. Diese beiden Selzer Ansichten, gezeichnet 1949, gehören zu den bekanntesten Bildern des Selzen der Nachkriegszeit.
Neuanfang mit Löwe und Schlüssel
Darüberhinaus gibt noch eine weit wichtigere Hinterlassenschaft.
Heinz Leitermann war nicht nur Kunsthistoriker, Hochschullehrer und begnadeter Zeichner, er war auch ein Experte für Heraldik, also die Wappenkunde.
Er war es, der im Auftrag der Gemeinde Selzen und in Anlehnung an alte Selzer Gerichtssiegel das neue Ortswappen nach heraldischen Regeln entwarf und für das Genehmigungsverfahren begründete.
In seinem Nachlass finden sich noch Hinweise auf seine Recherchearbeiten zu dem neuen Selzer Wappen. So bezog er nicht nur ältere Siegel sondern auch steinerne Hinterlassenschaften in seine Überlegungen mit ein.
Auch die alte Selzer Mühle besuchte er in den 50er Jahren und zeichnete ein Wappen eines Schlusssteins auf einen kleinen Notizzettel.
Am 29. Dezember 1954 erhielt Selzen die Genehmigung zur Führung eines eigenen Wappens. Die von Heinz Leitermann gezeichnete erste Darstellung des neuen Selzer Wappens wurde erst kürzlich im Keller der alten Schule in der Kaiserstraße wiederentdeckt.
Als 1954 in der Kaiserstraße das neu erbaute Rathaus seiner Bestimmung übergeben wurde, zierte ein für viele unbekanntes Wappen die Fassade. Die Allgemeine Zeitung beschrieb in einem Artikel die Verblüffung mancher Einwohner.
Und so hat Heinz Leitermann nicht nur die Hoffnung in den Himmel über dem Dom gemalt, sondern Selzen – wie es die Allgemeine Zeitung schreibt – ein neues "Sinnbild" für seine Zukunft gegeben.
Zur Person: Die Zeichnungen stammen vom Mainzer Kunsthistoriker und Zeichner Dr. Heinz Leitermann (1908–1979). Er lehrte als Professor für Kunstgeschichte an der Fachhochschule des Landes Rheinland-Pfalz in Mainz, war Mitarbeiter der Allgemeinen Zeitung und mit seinen stimmungsvollen Tuschezeichnungen Chronist des alten, zerstörten und wiederaufgebauten Mainz.
Buchtipp: Empfohlen sei in diesem Zusammenhang das Buch "Geliebte Stadt. Heinz Leitermann (1908 - 1979) zeichnet das alte Mainz", welches zahlreiche Zeichnungen, vor allem zum zerstörten Mainz, versammelt.
Winfried Wilhelmy (Hg.); Eine Publikation des Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseums Mainz zur Ausstellung vom 06.11.2013 bis 02.03 2014.
Mein Dank geht an Frau Jutta Ries-Leitermann, die Tochter von Heinz Leitermann, für die Erlaubnis zur Nutzung der Zeichnungen.
Die beiden Zeichnungen von Selzen durfte ich bei Klaus Keller (verstorben 2024) in Mainz bewundern und fotografieren.
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